Peter Kremer M.A. Geogr./Philos.

Der Kirchhof lieget unansehnlich und gering“
Mindestens fünf bis sechs Kirchbauten gab es im Laufe der Langeooger Geschichte

Die prachtvollen Marschenkirchen der Friesischen Freiheit
Ostfriesland ist berühmt für seine lange und reiche Kirchengeschichte. Nicht zuletzt durch die günstigen Voraussetzungen, die durch die „Friesische Freiheit“ (9. Jh. bis 1498) gegeben war, konnten sich auch kleine Gemeinden relativ prachtvolle Kirchhäuser leisten. Ab dem 9. Jahrhundert entstanden die ersten Kapellen und Kirchen gebaut, die teste noch erhaltene Kirche Ostfrieslands ist die St.-Ägidien-Kirche in Stedesdorf (Esens), erbaut in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, und viele stammen noch aus dem 13. und 14. Jahrhundert.

Karg dagegen die Geschichte der Inselkirchen
Die Kirchengeschichte der ostfriesischen Inseln war von Anfang an ein bisschen problematischer. Zum Einen wurden die Inseln erst ab dem 13./14. Jahrhundert besiedelt, als die Hochzeit der Friesischen Freiheit schon vorbei war, zum anderen herrschte dort weitaus größere Armut, und vor allem waren die Inseln aus verschiedenen Gründen für steinerne Prachtbauten weniger geeignet.

Auch am Festland kam es vor, dass Kirchen nach Deichbrüchen verloren gingen, auf den Inseln kam das jedoch vergleichsweise häufiger vor. Die Dünen waren weniger widerstandsfähiger und deutlich beweglicher als Deiche, nicht nur durch Abbrüche bei Sturmfluten, sondern auch, weil sie mangels durchgängiger Vegetationsdecke vom Wind getrieben weniger lagestabil waren. Manche im Schutze von Dünen gebaute Kirche fand sich so im Laufe der Zeit am Strand wieder, wo sie auf kurz oder lang Opfer der Brandung wurde. Dazu kam, dass die Insulaner ihre Häuser öfter um mehrere Kilometer versetzten, wenn die Dünenlage vor Ort kritisch geworden war. Ihre Häuser, gebaut v.a. aus Holz, Soden und Strandgut, ließen sich leicht ab- und an anderer Stelle wieder aufbauen, mit steinernen Kirchen war das nicht so einfach möglich.

Und noch einen Unterschied gab es zwischen der Kirchengeschichte des Festlandes und der Inseln. So wie heute mancher die Inselpastoren um ihre Arbeit mitten in Ferienparadiesen beneidet, so war es für die Pastoren früher eher ein Ärgernis, auf die Inseln versetzt zu werden. Die Stellen waren schlecht dotiert, und die Verhältnisse karg, ganz anders als auf dem ostfriesischen Festland.

Der heutige Kirchbau
Die heutige Langeooger Kirche, erbaut im neogotischen Backsteinstil, ist erst
1889/1890 errichtet worden, also 120 Jahre jung. Ihr Vorläufer, gebaut 1859, hatte gerade mal 30 Jahre lang Dienst getan. Sie war von vornherein zu klein geplant, und als 1885 das neue Hospiz des Klosters Loccum auf Langeoog eröffnete, wurde sie auf Betreiben des Kurators Friedrich Wilhelm Barkhausen durch die heutige Kirche ersetzt.

Sein Vorläufer: Untergegangen 1717
Davor gab es 142 Jahre lange Jahre lang keinen Kirchbau auf Langeoog. Die damalige Kirche, die in der Gegend vom Melkhörn stand, war samt Pfarrhaus in der Weihnachtsflut 1717, eingestürzt, und das, obwohl sie erst 1706 (möglicherweise auch etwas früher, die Sekundärliteratur ist sich da nicht ganz einig) erbaut worden war. Im Jahre 1700 hatte es eine Kirchenvisitation auf Langeoog gegeben. Die elf Langeooger Familien waren gerade vom Westende in die Mitte der Insel gezogen, und hatten die seit 1666 bestehende Kirche samt Pastorei im Westen zurückgelassen. Die Visitatoren beschieden, dass Kirche und Pastorei ebenfalls abgebrochen und „bei itzigen ihren Häusern“ wieder aufzubauen seien. Da jedoch der Kirchbau ohnehin als „gebrechlich“ eingestuft wurde, wurde schließlich mit Hilfe von Kollektengeldern und eines Kredites ein neues Gotteshaus errichtet. Es war 28 Fuß lang und 21 Fuß breit (ca. 10 x 7 m), 12 Fuß hoch (ca. 4m), und ebenso wie die dazugehörige Pastorei aus Stein gebaut und mit Dachpfannen abgedeckt. Die älteste heute auf den ostfriesischen Inseln erhaltene Kirche ist auf Spiekeroog zu finden, die 1696, also zehn Jahre vor der Langeooger Kirche erbaut wurde. Da sie in etwa dieselben Ausmaße hat, ist es recht wahrscheinlich, dass sie auch im Aussehen einige Ähnlichkeit gehabt haben dürfte.

Ältere Kirchbauten: Unansehnlich und gering
Die noch ältere Kirchengeschichte Langeoogs liegt im Dunkeln.Vieles deutet darauf hin, dass die Kirche von 1666 zumindest einen Vorläufer hatte, der zu der Zeit aber wohl schon nicht mehr gestanden hat. Pastor Balthasar Arend aus Berdum (heute Stadtteil von Wilhelmshaven) schrieb 1684 in einer Landesbeschreibung des Harlingerlandes, dass „1666 wieder ein gewisses Kirch- und Pfarrhaus aufgeführet und sie mit einem Prediger sind versehen worden“ was darauf hinweist, dass mindestens eine gewisse Zeit lang vorher ein solches Pastorat nicht bestanden hatte. Arend berichtet auch über einen ehemaligen Кirchhof der „da lieget in den Sanddünen, ganz unansehnlich und gering. Vor Zeiten soll an diesem Ort eine Kirche gestanden haben, davon noch einige Rudera [Steinhaufen, Ruinen] und Merkmahle können gesehen werden.“ Wo dieser Kirchhof gelegen hat, geht aus dem Bericht nicht hervor. 1770 stießen Insulaner bei der Suche nach einem alten Anker in einem Bereich nördlich des heutigen Hauses Kloster Loccum auf Reste einer Backsteinmauer, die vielleicht diesem alten Kirchhof zuzuordnen sind. Ob die Reste so alt waren, wie die mittelalterlichen Siedlungsspuren, die in dieser Gegend um 1921 nach einigen Dünenabbrüchen zu Tage traten (wir berichteten in den letzten Ausgaben), ist aus den spärlichen Überlieferungen nicht abzuleiten.

Vier bis fünf Kirchbauten lassen sich also aus den Quellen für die noch relativ junge Siedlungsgeschichte der Insel Langeoog, die ja erst im 13. Jahrhundert begann, nachweisen. Dazu kommt der Bau der katholischen Kirche im Jahre 1962. Diese erstaunliche Anzahl, die durchaus auch für andere Düneninseln typisch ist, belegt die naturräumlichen Schwierigkeiten, mit denen es die Kirchen in den vergangenen Jahrhunderten zu tun hatten.