Peter Kremer M.A. Geogr./Philos.

Voller Unzeug und dem Branntewein zugetan“
Die Kollektenreisen des Pastor Böttcher. Auf der dritten Reise stirbt er 1719 in Hamburg.

 

Das schlechte Verhältnis zwischen Insulanern und Pastor Böttcher, der von 1697 bis 1719 im Amt war, ist wohlgemerkt legendär. So war es doppeltes Pech für die Insulaner, dass ausgerechnet dieser Pastor 22 Jahre lang im Amt blieb, so lange wie vor ihm noch kein anderer. Böttcher seinerseits hatte durch seine lange Amtszeit das doppelte Pech, gleich zweimal für einen neuen Kirchbau auf Kollektenreise gehen zu müssen. Beim ersten mal in den Jahren 1700 bis 1702, und ein zweites mal 1718/19.

1699 waren die Insulaner vom Westen der Insel in die Mitte gezogen, und hatten die Kirche zurücklassen müssen. „Weil sie nun ihr sämmtlich geringes Vermögen an Umsetzung ihrer Häuser verwendet, so haben sie für sich keine Mittel, besagte ihre Kirche, welche an dem jetzigen Orte, so von ihren Wohnungen jetzo fast eine Meile entlegen, meistenteils gar unterm Sand bedeckt ist, gleichfalls zu translociren und wieder aufzubauen.“ (Herquet, S. 265) Also wurde Böttcher auf fürstliche Anweisung auf die Reise geschickt, um Gelder für eine neue Kirche zu sammeln.

Die ersten beiden Kollektenreisen
Ende September bis Mitte November war Böttcher in Hamburg, danach war er zunächst wieder auf Langeoog. Herquet bemerkt zu dieser Reise: "Die in seinem Collectenbuch verzeichneten Gaben sind so gering, daß er wol an Reisegeld mehr verbrauchte" (Herquet, S. 265). Im Frühjahr 1701 brach der Pastor erneut auf. Seine Reise führte ihn diesmal nach Lübeck, wo er sich den Sommer über eine ganze Weile aufhielt. Danach verliert sich mysteriöserweise erstmal seine Spur, und die Langeooger hörten einige Monate nichts von ihm. Waren die Insulaner darüber insgeheim froh, so war das für die zurückgebliebene Frau des Pastors fatal. Denn im Februar 1702 gebar sie eine Tochter, die noch im März verstarb, notgetauft von ihrer Mutter.

Pastor Böttcher aber war nun schon seit einem Jahr unterwegs und immer noch nicht zurück. Nach Angaben seiner Frau war er zwischenzeitlich in Königsberg und Kopenhagen gewesen, und sie machte auch keinen Hehl daraus, dass es ihrem Gatten mitnichten nur um das Sammeln von Geldern für den Kirchbau, sondern auch um die Verbreitung des Pietismus ging, seine Reise also auch als Missionsreise verstand. Erst als das Amt in Esens drohte, Böttcher seines Amtes zu entheben, und durch einen anderen Geistlichen zu ersetzen, kam er im Juli 1702 endlich zurück nach Langeoog. Die Bilanz seiner Kollektenreise war so ernüchternd, dass er erst nach mehrmaligen Aufforderungen die Rechnungsablage vorlegte. Zudem "erklärte er, daß er einen Teil der Collectengelder für sich habe verbrauchen müssen, da er nicht mehr als 55 Taler fest einzunehmen habe" (Herquet, S. 266) Erst als aus Strandgeldern und Kollekten ein Baufonds eingerichtet wurde, konnte die Kirche schließlich gebaut und 1706 eingeweiht werden.

Doch nur 11 Jahre später stürzte die neue Kirche in der vielerwähnten Weihnachtsflut 1717 ein. Pastor Böttcher bat den Fürsten Georg Albrecht um finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau, doch weil die Not nach dieser Sturmflutkatastrophe überall an den Küsten groß war, und der Fürst kaum einsehen konnte, für lediglich vier auf Langeoog verbliebene Familien eine Kirche zu finanzieren, wurde Böttcher erneut auf Kollektenreise geschickt.

Die dritte Kollektenreise
Im Oktober 1718 brach Pastor Böttcher auf, und sammelte zunächst im Harlingerland, dann in Oldenburg und Bremen, und erreichte schließlich im Juli 1719 Hamburg. Aber seine Reise sollte abermals ein Misserfolg werden. Schon als er in Hamburg ankam, so berichtet Christian Barnau, ein dort wohnender Freund Böttchers, war er verarmt und krank, und zudem so dem „Branntewein zugetan“, und „voller Unzeug“, dass ihn niemand aufnehmen wollte, und er sein Lager schließlich in einem Keller aufschlagen musste. Böttcher erholte sich nicht mehr.

Barnau schrieb in einem Brief an Böttchers Frau: „Als ich dann zu ihm kam, um mit Wahrheit zu ihm zu reden und ihn fragte, wie er mit seinem Gotte stände, sagte er zu mir: „„Gut genug““. Des Donnerstags redete er noch mit Verstand, Freitags den 3. August morgens war er schon tot. Ich wünsche und hoffe, daß er selig gestorben sei. Er ist auf dem St. Annenkirchhof begraben worden, wobei der Rat Sarg und Grabstätte gegeben hat. Die Unkosten belaufen sich über 10 Mark. Ich schicke seinen Rock, Kamisol und Hosen, auch Strümpfe, Hut und Perücke mit einem Spikerooger Schiffer.“ (Herquet, S. 268)

Auch die Kollektengelder wurden übersandt. In dem versiegelten Lederbeutel befanden sich jedoch nur 10 Mark, obwohl dem Kollektenbuch zu entnehmen war, dass allein in Hamburg der Rat der Stadt 30 Mark gespendet, und Böttcher noch weitere 10 Reichsthaler gesammelt hatte. Offenbar war auch in den Monaten zuvor immer nur gerade so viel Geld zusammengekommen, wie Böttcher zum Reisen und für den Branntwein benötigte. Der Esenser Amtmann Brenneysen stellte fest: „Laut Einhalt des (Collecten-) Buches hat der Pastor ein ziemliches colligirt gehabt, so derselbe bei seinem liederlichen Leben verzehrt hat.“ Fürst Georg Albrecht sprach die verbliebenen 10 Mark nicht der Gemeinde Langeoog, sondern Böttchers Witwe zu, die darauf mit ihren Kindern die Insel Langeoog verließ.

Böttchers Nachfolger auf Langeoog, Pastor Georg Anton Löwenstein wurde noch 1719 ins Amt eingeführt, aber bevor dieser die Kollekte und den Kirchbau fortführen konnte, wurde die Küste in der Silvesternacht 1720/21 erneut von einer schweren Sturmflut getroffen, nach der auch die vier noch verbliebenen Familien Langeoog verließen. Zwei Jahre dauerte es, ehe Langeoog erneut besiedelt wurde, und ganze 138 Jahre, ehe die Insulaner 1859 wieder eine kleine Kirche ihr eigen nennen konnten.