Peter Kremer M.A. Geogr./Philos.

Die Weihnachtsflut 1717 - Langeoog hatte Glück im Unglück


Vor 300 Jahren, ausgerechnet in der Heiligen Nacht 1717, wurde die südliche Nordsee von einer Sturmflutkatastrophe heimgesucht, wie sie schlimmer kaum hätte sein können. Fast überall brachen Deiche, die Marschen waren bis zum Geestrand überflutet, die Opferzahlen und Schadensmeldungen immens. Zwar reiht sich diese "Weihnachtsflut" ein in die lange Liste der Sturmflutkatastrophen seit Beginn des zusammenhängenden Deichbaus, doch sticht sie einerseits durch das Ausmaß der Überflutungen heraus, andererseits dadurch, dass sie durch Augenzeugen und Chronisten umfangreicher dokumentiert ist, als jede andere Sturmflutkatstrophe davor. Meistens waren es schreibkundige Geistliche, die die Ereignisse festhielten (und dabei ganz nebenbei als Strafgericht Gottes deuteten). Den vielen Überlieferungen und ihren wissenschaftlichen Deutungen ist zu verdanken, dass wir uns heute ein relativ genaues Bild dieser Katastrophe machen können.

Das Wetter: ein plötzlicher Orkan
Schon in den letzten Tagen vor Weihnachten hatte ein starker Wind aus Südwesten geweht, der am Morgen des 24. spürbar zunahm. Gegen 14 Uhr drehte er stürmisch auf West, schon zwei Stunden später auf Nordwest und nahm an Stärke immer weiter zu. Doch zu diesem Zeitpunkt war der Sturm noch zu jung, als dass er das frühe Abendhochwasser bedrohlich hoch hätte auflaufen lassen. Als dann gegen Mitternacht der Sturm abflaute, glaubten die Küstenbewohner das Schlimmste überstanden zu haben. Doch gegen 1 Uhr kehrte er zurück und entwickelte sich dann rasch zu einem Orkan, der örtlich von Gewittern begleitet wurde und in aller Stärke bis in die Morgenstunden anhielt. Während der nächtlichen Ebbe war das Wasser kaum zurückgegangen. Und als die Flut gegen Mitternacht wieder einsetzte, dauerte es nur drei Stunden, ehe der Orkan das auflaufende Wasser über die Deiche spülte und sie schließlich brach, noch über drei Stunden vor höchstem Wasserstand. Damit hatte niemand gerechnet. Noch weitere zwei bis drei Tage blieb es anhaltend stürmisch, begleitet von kalten Hagel- und Regenschauern.

Mannshohe Überflutungen
Wie hoch das Wasser aufgelaufen ist, lässt sich nach heutigem Maßstab nur ungefähr ermitteln und variiert entsprechend in den Publikationen. Als am zuverlässigsten gilt die für Dangast genannte Höhe von 4,89 m über NN (vgl. der Sturmflutstein am Dangaster Siel). Örtlich dürften die Pegelstände aber sehr unterschiedlich gewesen sein, in Abhängigkeit von Küstenverlauf, Winddruck, Wellenauflauf und schließlich Höhe der Marschenoberfläche.
Entsprechend weichen auch die Angaben der Zeitzeugen z.T. stark voneinander darüber ab, wie hoch die Deiche und Marschen überflutet wurden. Fest steht: Die Deiche, die im Schnitt kaum höher als vier Meter gewesen sein dürften, wurden örtlich über einen Meter hoch überspült, die niedrigen Marschen innerhalb kürzester Zeit "mannshoch" überströmt. Und das ging alles so schnell, dass kaum noch Zeit blieb, sich zu retten. Vielerorts war man selbst auf den Wurten nicht sicher, wie eine Flutmarke an der Kirche auf dem "Heppenser Berg" (heute in Wilhelmshaven) zeigt.

Abb1

Kupferstich von 1719, gestochen in Nürnberg für den Verlag Endters und Erben: "Abbildung der fast übernatürlich=hohen Wasserflut
am H. Christ=Tag 1717 und am 12. Hornung [Februar] 1718." Dieses Bild stellt ursprünglich sicherlich die Weihnachtsflut dar,
wurde aber wohl während der Produktion von der Wirklichkeit eingeholt, nämlich einer nur zwei Monate nach der Weihnachtsflut erneut
"übernatürlich=hohen" Sturmflut, die in den Titel des Kupferstichs mit eingeflossen ist. Ganz sicher war der Autor weder vor Ort
und auch sonst kein Kenner der Marschenküste. Den Häusergiebeln fehlen die Krüppelwalme, die Kirchenarchitektur ist untypisch,
im Hintergrund ist eine Stadt mit 14 Kirchtürmen zu sehen. Auf den ersten Blick aber sticht das größere Schiff im Vordergrund heraus,
das keinem im Wattenmeer üblichen Plattbodenschiff ähnelt, sondern einer spanischen Galeone,
einem hochseetauglichen Kriegsschiff des 16. und 17. Jahrhunderts.

Die Katastrophe
Obwohl der Orkan schon drei Stunden gewütet hatte, wurden viele Menschen doch vom Wasser überrascht. Kaum jemand hatte damit gerechnet damit, dass die Deiche schon so lange vor höchstem Wasserstand würden nachgeben können. Viele hatten sich sogar zu Bett begeben und begegneten der Katastrophe im Nachthemd. Hastig flohen die Menschen auf Dachböden und Heuhaufen, mit denen viele schließlich fortgetrieben wurden, sie klammerten sich an Holz und Fässer und Bäume und alles, was sie greifen konnten, sie sahen ihre Liebsten hilflos ertrinken oder fortreiben, und mussten starr vor Angst und Kälte abwarten, ob sie selbst – obwohl in Sicherheit – die Flut überleben würden. Noch zwei bis drei Tage lang blieb es so stürmisch, dass an Rettung nicht zu denken war. Eine Rettungsinfrastruktur, wie wir sie heute kennen, gab es ohnehin nicht, es galt stattdessen sich selbst und die anderen, allein oder in nachbarschaftlicher Hilfe, zu retten. Viele Marschenbewohner, die auf Dachstühlen und anderen Erhebungen festsaßen, starben in den Folgetagen an Kälte, Durst oder Erschöpfung. 11.500 Menschenleben waren von West- bis Nordfriesland zu beklagen, vom Verlust an Vieh und Hab und Gut ganz zu schweigen. Fast die gesamten Marschen wurden bis an den Geestrand überflutet. Obwohl die frühe Neuzeit gekennzeichnet war von Fortschritten im Deichbau und dem Wandel von tragischem Landverlust hin zu systematischem Landgewinn, wurden alle neu gewonnen Polder und alle Sommer-, Winter- und Schlafdeiche überströmt.

Die Katastrophe nach der Katastrophe
Vielerorts war die Landschaft hernach so geschunden, dass noch jahrelang mit jeder normalen Tide die Nordsee durch die gebrochenen Deiche in die Marschenandschaften strömte. Die Landschaft war so verwüstet und so viele Menschen gestorben, dass auch an einen schnellen Wiederaufbau der vielen vernichteten Deiche zunächst nicht zu denken war.
Gott sei Dank, möchte man fast sagen, denn der meteorologische Zufall wollte, dass schon am 25. Februar 1718, nur zwei Monate nach dieser verheerenden Flut, eine erneute Sturmflut über die südliche Nordsee hereinbrach, die der Weihnachtsflut an Pegelhöhe in nichts nachstand. Diesmal aber waren die Schadens- und Opfermeldungen deutlich geringer. Nicht deshalb, weil eh schon alles zerstört gewesen wäre, sondern vor allem, weil sich diese Sturmflut nicht hinter intakten Deichen hoch aufstauen konnte. Denn bricht dann ein Deich, ergießt sich das Wasser mit großer Strömungsgewalt und Schnelligkeit in die Marschen. Ganz anders der Katastrophenverlauf ohne Deiche, wenn sich die Sturmflut gleichmäßig und allmählich in den Marschen ausbreiten kann.
Als schon in der Sylvesternacht 1720/21 eine abernals noch höhere Sturmflut die südliche Nordsee traf, war die Schadensbilanz immer noch vergleichsweise gering. Am schlimmsten waren die Rückschläge im Deichbau. Die seit der Weihnachtsflut nur notfürftig reparierten Deichen hatten dieser Neujahrsflut nichts entgegenzusetzen.
Doch die Katastrophe beschränkte sich nicht auf die gebrochenen Deiche und war mit deren Reparatur, die freilich viele Jahre dauerte, noch nicht überstanden. Die Marschen brauchten Jahrzehnte, um sich wirtschaftlich, landschaftlich und demographisch (und schließlich auch psychisch) von der Katastrophe zu erholen.

Abb5

Sturmflutsteine am Dangaster Siel. Ganz rechts der Stein zur Weihnachtsflut 1717,
aufgestellt (ursprünglich an anderer Stelle) von Deichrichter Albert Brahms (1692 - 1758),
der Augenzeuge der Weihnachtsflut war und sich in der Folgezeit
maßgeblich um Fortschritt im Deichbauwesen bemühte.

Die Langeooger haben Glück im Unglück
Auch Langeoog blieb von der Weihnachtsflut nicht verschont, gleichwohl die Schäden wesentlich geringer waren, als in den Marschenländern. Lediglich die kleine Inselkirche, die damals in der Gegend um Melkhörn gestanden hatte, stürzte in den Fluten ein. Tote gab es nicht.
Dünen-Inseln haben gegenüber den tief gelegenen Marschen grundsätzlich den Vorteil, dass sie deutlich höher über NN ragen. Die damalige Langeooger Dünenlandschaft war damals zwar nicht annähernd so geschlossen und so großflächig von Vegetation bedeckt, und bot deshalb weniger Schutz als die heute viel stabileren Dünen, aber die Insulaner hatten nichtsdestoweniger die Möglichkeit ihre Hütten auf relativ hohem Untergrund zu errichten.
Die Langeooger aber hatten vor allem darin Glück, dass ihre Hütten nicht – wie man eigentlich vermuten sollte – bei der Kirche standen, sondern einige Kilometer weiter westlich auf Dünenpartien, die den Fluten standhielten. Glück war auch, dass die Kirche so weit weg vom Dorf war, dass niemand auf die Idee kam, sich in dieses einzige steinerne Haus auf der Insel zu flüchten.

Gerade noch rechtzeitig umgezogen
Im Laufe der Geschichte mussten die Insulaner mehrmals ihr Dorf verlegen, wenn die unmittelbaren Dünen keinen ausreichenden Schutz mehr boten (Wobei der ganzjährig auftretende Flugsand das konstantere Problem war, als die nur alle paar Jahre auftretenden sehr schweren winterlichen Sturmfluten). Die Dünenprobleme aber waren hausgemacht. Der für eine stabile Dünenentwicklung eigentlich unverzichtbare Strandhafer (Helm) war für die in Armut lebenden Insulaner ein wichtiger Rohstoff, der z.B. als Viehfutter diente und im Haushalt (geflochten z.B. als Reepe) eingesetzt wurde. So konnte sich auf den Dünen keine geschlossene Vegetationsdecke entwickeln. Mit den 12 bis maximal 16 Familien, die im 17. Jhdt auf Langeoog wohnten, war die Insel im Grunde überbevölkert.
Erst 1699 waren die Insulaner vom Westteil der Insel in die Mitte zum Melkhörn gezogen, 1706 wurde dort der Kirchbau vollendet. Doch schon im Jahre 1711 zeigte eine umfassende amtliche Inselinspektion, dass die Melkhörndünen bereits wieder in katastrophalem Zustand waren, während sich der Inselwesten deutlich erholt hatte. Der Esenser Drost von Münnich befahl den Insulanern dennoch, am Melkhörn zu bleiben, damit sich der Westen weiter würde stabilisieren können.
Spätestens aber im Sommer 1717 zogen die Insulaner (ob mit oder ohne amtliche Genehmigung ist ungeklärt) wieder in den Westen. Kirche und Pfarrhaus ließen sie zurück. (*1)

(*1): Die Sekundärquellen widersprechen sich. Einige Autoren gehen davon aus, dass das Dorf zur Weihnachtsflut noch am Melkhörn gestanden hätte, aber meines Erachtens gibt es gute Gründe anzunehmen (nicht zuletzt die glimpflichen Schadensmeldungen der Weihnachtsflut sind ein Indiz), dass es wieder im Westen der Insel gelegen hat, entweder im heutigen Bereich der Heerehusdünen oder der westlich anschließenden Kaapdünen. Auch der genaue Standort der Kirche am Melkhörn ist nicht überliefert, könnte aber östlich der heutigen Melkhörndüne (die es damals noch nicht gab) oder im Bereich des heutigen kleinen Sloops gelegen haben.

Die Langeooger Dünenzüge vor der Weihnachtsflut
Die damalige Insel Langeoog war mit ihrer heutigen Gestalt kaum vergleichbar. Zwar ist der den Dünen zugrunde liegende Inselkörper seit der Besiedlung Langeoogs im 13. oder 14. Jhdt. stets ein stabiler Sockel gewesen, aber die Dünenzüge haben immer wieder große Lücken aufgewiesen.
1717 gab es noch kein Flinthörn und kein Wäldchen, stattdessen dort einen Strand, der von den Süderdünen begrenzt wurde. Nach Nord und Ost schlossen sich die (heute so genannten) Kaapdünen und die Heerenhusdünen an. Auch das Pirolatal gab es noch nicht. Vermutlich hatten die Heerenhusdünen einen nach Osten größeren Umfang als heute und reichten bis in das heutige große Sloop hinein, abgeschlossen von einer hohen Dünenpartie, die "Kaperberge" genannt wurde und heute nicht mehr existiert. Von dort bis zum Melkhörn bestand schon 1717 eine große Lücke, in der es nur niedrige Dünen und Flugsandverwehungen gab.
In der Mitte der Insel lag das damals schon so genannte "Melkhörn", ein zusammenhängender Dünenkomplex überwiegend spärlich bewachsener Dünen, der nach Osten in das heutige kleine Sloop hineinreichte. Die heutige Melkhörndüne, Langeoogs höchste natürlich Erhebung, sowie das kleine Sloop gab es noch nicht.
Östlich der Melkhörndünen schloss sich ein Bereich niedriger, etwas lückenhafter Dünen an, und dann ein hoher, aber kaum bewachsener Dünenbereich, der bis in den heutigen Ostteil der Insel hinein reichte und "Drei Bergen" genannt wurde. Auch diese Dünenpartie ist heute nicht mehr erhalten. Schließlich erstreckte sich das "Osterende" als zusammenhängender Dünenkomplex bis in den Bereich der heutigen Meierei.

Großflächige Überflutungen
Wie großflächig und wie hoch Langeoog durch die Weihnachtsflut überflutet wurde, ist nicht überliefert. Ganz sicher aber waren der Westen, das Melkhörn und das Ostende mit Dreibergen kurzzeitig kleine, sturmumtoste Inselchen. Die Dünenlücken des heutigen großen Sloops werden sich deutlich vergrößert haben, und auch die niedrigen Dünen östlich des Melkhörns hielten der Brandung nicht stand. Das heutige kleine Sloop wurde aufgerissen und das Wasser drang von Nordosten her in den Bereich der Melkhörndünen ein, wo vermutlich die Kirche stand.
Glück hatte Langeoog auch damit, dass der Inselsockel stabil blieb und sich im Bereich der Sloops kein Priel bildete, der die Dünenkomplexe bei jeder Tide voneinander getrennt hätte. Wenn es manchmal heißt, dass Langeoog in drei Teile geteilt war, so ist zu bedenken, dass das nur für die Dünen galt, nicht aber für den Inselsockel aus Strand und Salzwiesen.

Abb4

Die Karte von Ing. Horst aus dem Jahre 1738:
Ein stabiler Dünensockel, aber erhebliche Lücken in den Dünenzügen.

Die Katastrophe nach der Katastrophe: Entvölkerung
Die Langeooger hatten also noch Glück im Unglück gehabt. Hätten ihre Hütten zu Weihnachten 1717 immer noch um die Kirche herum gruppiert gestanden, wäre es sicher sehr viel schlimmer gekommen.
Doch den Folgen der Katastrophe konnte auch Langeoog nicht entgehen.Von den damals 12 Familien verließen acht die Insel. Nur drei Insulanerfamilien und die Familie des Pastors blieben auf der geschundenen Insel zurück. Doch nach der Neujahrsflut 1721 verließen auch die letzten Familien die Insel und Langeoog blieb zwei Jahre lang gänzlich unbewohnt.
Warum die Familien die Insel verließen ist nicht überliefert. Zwar hatten sie auch schon vor dieser Katastrophe oft beim Amte über ihre schlechten Lebensumstände geklagt und gebeten, aus ihren Pachtverträgen entlassen zu werden und die Insel verlassen zu dürfen (was meist nicht bewilligt wurde), aber jetzt nach der Weihnachtsflut waren die Marschenländereien genauso verwüstet wie die Inseln. Möglicherweise aber galt es Verwandten beim Wiederaufbau ihrer Höfe zu helfen, oder gar ein tragisches Hoferbe anzutreten, vielleicht lockte die Aussicht, beim Wiederaufbau von Deichen und Dörfern ein bisschen Geld zu verdienen, vielleicht aber zogen auch einige auf die sturmflutsicher hohe Geest zum Beispiel in die Städte Esens, Wittmund oder Jever. (*2)

(*2): Es ist überliefert, dass der damalige Langeooger Inselpastor Böttcher (eine umstrittene Person mit dänischen Wurzeln) nach der Weihnachtsflut die Erlaubnis erhielt, auf Kollektenreise zu gehen um den Wiederaufbau der Kirche zu finanzieren. Eine verrückte Idee, zu glauben, wenn in den völlig verwüsteten Küstenlandschaften jemand Geld übrig gehabt hätte, dann ausgerechnet für den Wiederaufbau einer Kirche für gerade mal noch vier Familien auf einem zerschundenen Eiland. Überliefert ist auch, dass Pastor Böttcher auf dieser Reise 1719 in Hamburg verstarb. Verarmt, verlaust, von Alkohol und Krankheit dahingerafft.

Langeoog nach der Weihnachtsflut
Eine Karte von Ing. Horst aus dem Jahre 1738 – die älteste verlässliche kartographische Darstellung Langeoogs – vermittelt einen Eindruck, wie die Insel nach der Weihnachtsflut 1717 und den folgenden Sturmfluten ausgesehen hat. Deutlich erkennbar sind die beiden großen Lücken westlich und östlich des Melkhörns.
Auch wenn die Linienführung der Karte auf den ersten Blick etwas irreführend ist, weil es so aussieht, als bestünde Langeoog schon bei jeder normalen Flut nur noch aus kleinen Inselchen, so ist bei genauerem Blick doch der stabile Sandkörper dargestellt, versehen mit dem Hinweiss, dass nur bei "extra=ordinären" Fluten das Nordseewasser durch die Dünenlücken strömte.
Noch bis ins 20. Jhdt. hinein bestand Langeoog im wesentlichen aus zwei bis drei Dünenkomplexen mit mehr oder minder breiten Lücken dazwischen. Das große Sloop wurde 1909 von Menschenhand geschlossen, das kleine Sloop schloss sich kurze Zeit später durch natürliches Dünenwachstum von selbst.

Abb2

Auch aus Nürnberg, aber im Eigenverlag erschienen, stammt eine sehr aufschlussreiche Landkarte über das Ausmaß der Überflutungen,
erstellt von Johann Baptist Homann im Jahr nach der Weihnachtsflut. Grünlich koloriert sind nicht etwa die Marschen, die die Küste säumen,
sondern der Überflutungsbereich der Weihnachtsflut. Geographisch ist die Karte sehr ungenau. Der Küstenverlauf basiert in großen Teilen
auf veralteten und/oder falschen kartographischen Darstellungen (Viele Orte sind falsch eingetragen, Juist fehlt ganz,
die Harlebucht liegt an falscher Stelle mit dem Funnixer Siel im Osten), und der Überflutungsraum ist vielerorts deutlich übertrieben
bis in die Geest hinauf angegeben. Dem Autor aber ging es um etwas anderes. Sturmflutkatastrophen wurden im Mittelalter bis in die Neuzeit
als Strafgericht Gottes angesehen, eine Deutung, die mit der Renaissance der Wissenschaften zunehmend in Frage gestellt wurde.
So auch durch Homann. Die vielen Text- und Bildanteile in der Karte weisen auf je eigene Art darauf hin.
Stellvertretend dafür sei hier in aller Kürze das Motto der Karte genannt, das sich ungefähr in der Kartenmitte befindet
und einen Zweizeiler des römischen Dichters Ovid (43 v. Chr. bis ca. 17 n. Chr.) wiedergibt:
"Obruerit cum tot saevis Deus aequoris undis / Ex illis mergi pars quota digna fuit?"
(Schüttet ein Gott das Wasser über so viele dahin: allein, wer von ihnen verdient', darin auch zu ertrinken?)

Abb3